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Mühlviertler Roas September 2016

 

Bereits vor vielen Jahren wurden wir bei einem Besuch der Reise- und Freizeitmesse in München auf die Mühlviertler Alm mit ihrem weitläufigen Wanderreitnetz aufmerksam. Damals schon hatte uns relativ unbedarfte Freizeitreiter dieser kompetente Messeauftritt bzgl. der Möglichkeiten zum Wanderreiten und Wanderfahren beeindruckt.

Erst jetzt, Jahre später als begeisterte Fahrer, wurde dieser Traum einer Wanderfahrt auf der Mühlviertler Alm Realität. Unser Verein „Marienheimer Kutscher“ konnte so wiederum eine einwöchige Wanderfahrt, dieses Mal bei unseren österreichischen Nachbarn, ins Programm nehmen.
Die vorausgehende Planung mit intensiven Kartenstudium zur Gestaltung der Route im Abgleich mit den Herbergen lies unsere Wanderfahrt dann Gestalt annehmen. Die persönlichen Gespräche mit den Betreibern der Herbergen im vergangenen Sommer bei einem Vor-ab-Besuch haben unsere Mühlviertler Roas endgültig festgelegt.
Am Montag, den 26.09.2016, war es dann endlich so weit: einpacken, nichts Wichtiges vergessen für 6 Kutschtage, verladen und Fahrt ins Mühlviertel nordwestlich von Linz. Unsere Gruppe mit insgesamt 11 Personen mit 4 Zweispännern machten sich auf den Weg nach Hofing bei Schönau zum Reitpark Gstöttner (www.reitpark-gstoettner.at), einem der Gründerbetriebe des Pferdereichs Mühlviertler Alm. Der im Jahr 1999 neu erbaute Reiterhof, erbaut auf einem Hügel mit Blick nach Süden auf die Ruine Ruttenstein, auf der gegenüberliegenden Hügelkette und das darunterliegende Naarntal, schmiegt sich harmonisch in die typisch mühlviertlerische Landschaft.
Hier wurden wir von Ludwig Kriechbaum und Burgi Öhlinger bereits erwartet und herzlichst empfangen. Nachdem unsere Pferde ihre Boxen bezogen hatten und gut versorgt waren, wartete bereits ein hervorragendes Abendessen in der Gaststube auf unsere 11-köpfige Gruppe. Die nette Gesellschaft um den großen runden Tisch und die herzliche Gastfreundschaft am Gstöttner Hof ließen es nur eine relativ kurze Nacht werden.
Am nächsten Tag, unserem ersten Fahrtag, führte uns der Weg zur Ruine Prandegg. Nach kurzer Abstimmung mit Hausherr Ludwig über die aktuellen Wegeverhältnisse, starteten wir am späten Vormittag. Über Güterwege abwechselnd durch offenes Gelände mit von Wiesen umgebenen Einzelhöfen, teils durch Wald erreichten unsere 4 Zweispänner in knapp 2 Stunden die Ruine Prandegg. Herrschaftlich gelegen auf 730m Höhe mit Anbindeplatz lädt die zu ihren Füßen liegende Taverne zur Rast und Einkehr. Die Pferde getränkt, den Durst der Fahrer und Beifahrer gestillt ging die Rückfahrt vorbei am Herrgottsitz hinunter nach Schönau, um dann den Schlußanstieg mit 80 Höhenmetern hinauf zum Gstöttnerhof zu bewältigen. Am Abend in geselliger Runde bei bereits bekannt guter Bewirtung konnten wir den ersten Tag als gelungenen Einstieg ins Pferdereich der Mühlviertler Alm bezeichnen.

Alle waren nun gespannt auf Tag zwei, an dem es galt eine größere Distanz zu bewältigen mit dem Ziel, dem “Wirt auf da Hoad“ Gottfried Gusenleitner. Bestens instruiert vom Chef des Hauses Ludwig Kriechbaumer gingen wir Mittwoch früh vom Gstöttner Hof aus auf die Tour. Es ging gleich los mit einem fahrerischen Highlight schlechthin, der sehr anspruchsvollen Abfahrt auf Naturbelag steil, mit 15-16% Gefälle hinunter, ins Tal der Naarn. Der Ludwig war der festen Meinung, dass wir dies fahren können, womit er Recht hatte. Alle 4 Gespanne meisterten diese Ouvertüre des Tages souverän, so dass wir anschließend eine Zeit lang der Naarn flussabwärts auf gutem Fahrweg folgten. Der anschließende Aufstieg mit knapp 90 Höhenmeter hinauf, führte uns nördlich vorbei an der Ruine Ruttenstein, die wir noch öfter an diesem Tag aus mehreren Perspektiven sahen. Ab der Scherhäufel Ranch konnten wir dem bezeichneten Reitweg folgen hinauf über den Gruberhof zur, auf einer wunderschönen Anhöhe gelegenen, Moser Alm. Der Hausherr Johann Lummetsberger, genannt “da Lummi“, auch ein aktiver Fahrer, bewirtschaftet hier auf 620 Meter Seehöhe eingebettet zwischen Wiesen und Wald eine Jausensation, die uns Fahrer zur Mittagsrast einlud. Da unser Vereinschef, der Hermann, und der Lummi sofort beim Thema Fahren eine gleiche Wellenlänge fanden, dauerte unsere Rast doch etwas länger als geplant. Nach dem praktischen Austausch der beiden Altprofis auf dem Kutschbock und der richtigen Biegung und Stellung von Lummis Schimmel im Gespann setzten wir unsere Tour, nach der fachmännischen Begutachtung der Erfolge, mit leichter Verzögerung dann am frühen Nachmittag fort. Über gut fahrbare Güterwege, sowohl auf Teer als auch auf Naturbelag gelangten wir östlich auf dem Höhenzug parallel zum Tal der Gr. Naarn auf ausgeschildertem Reitweg nach Königswiesen. Ab hier führte uns der Weg entlang des Schwarzaubaches in moderater Steigung flussaufwärts, bis uns eine Brücke die letzten 100 Höhenmeter bergauf bis nach Haid offenbarte. Hier beim “Wirt auf da Hoad“ (www.wirtaufdahoad.at )wurden unsere 4 Gespanne vom Hausherr Gottfried Gusenleitner persönlich empfangen. Nach dem die Pferde ausgespannt und versorgt waren, stand der Gottfried, ein aktiver Turnierfahrer und Fahrlehrer, mit einem Tablett frisch gezapftem Bier im Hof. Denn nicht nur die Pferde haben Durst und wir wollten den Pferden ja nicht das Wasser wegtrinken, so wie es Constantin Freiherr von Heeremann bei seiner Rede anlässlich der 4-Spänner WM in Riesenbeck dem Publikum mit auf den Weg gab. Ein sehr gutes Abendessen in netter Gesellschaft bei einer ausgezeichneten Wirtsfamilie ließen diesen tollen Tag ausklingen.
Es kam nun der berüchtigte dritte Tag, den wir allerdings ruhiger und damit auch angesichts des bisher sehr anspruchsvollen Geländes überlegt angingen. Unser Wirt empfahl uns eine lockere Ausfahrt ohne große Höhendifferenzen auf einem guten Waldweg mit Naturbelag. Die Route führte von Haid abwärts zur bekannten Brücke, nach der wir uns nach Osten orientierten, vorbei an den “Schweizerhäusern“ nach Altmelon zur “Waldviertler Ranch“ von Josef Spiegel (www.spieglaltmelon.at). Auch hier wiederum waren die angenehme Atmosphäre und die gute Bewirtung die beste Voraussetzung für eine gelungene Mittagspause. Den Pferden bekam der Tag recht gut, so dass auf dem Rückweg angesichts gleichbleibender Höhenlage einige Trabpassagen eingelegt werden konnten. Zurück beim “Wirt auf da Hoad“ wurden, wie bereits praktiziert, erst die Pferde, dann die zweibeinige Mannschaft versorgt. Unser Wirt der Gottfried kredenzte uns ein frisch Gezapftes, das wir in der Abendsonne an der Hauswand sitzend genießen konnten und wiederum einen tollen Tag Revue passieren ließen. Das ist erlebte Gastfreundschaft, hier auf der Mühlviertler Alm. Ja und abends hat uns die Seniorchefin kulinarisch mehr als verwöhnt. Ihr Knödeltrio, bekannt als Spezialität des Hauses, krönte auch unser Abendessen. Übrigens am Folgetag zur Abfahrt mussten wir Ulla aus der Küche losreisen. Ob sie wohl die Knödelrezepte mitnehmen durfte?
Der vierte Tag war wieder gekennzeichnet durch eine lange Etappe wiederum bei bestem Wetter in den Norden der Mühlviertler Alm auf die Hochfläche nach Liebenau. Diese Fahrt entlang der Grenze Oberösterreichs zu Niederösterreich bot ständig wechselnde Eindrücke der Landschaft der Mühlviertler Alm. Das bisher sehr durchschnittene Gelände war einer sanft gewellten Hochfläche gewichen. Offene Landschaft mit ihren Einzelhöfen, oft auf einer Anhöhe, in mitten ihrer Wiesen wechselte mit Waldlandschaften, die ebenfalls von einem gut ausgeschilderten Wegenetz durchzogen werden, die einem auf dem Kutschbock die Zeit einfach vergessen lassen.
Ein kleiner Zwischenfall nach einer seichten Wasserdurchfahrt eines Waldweges in der direkt folgenden Steigung ließ uns dann jedoch schlagartig wieder hell wach werden. Bei unserem rechten Pferd als führendes Gespann brach im Zug bergauf der Zugkrampen des inneren Strangstutzens. Dank der Gelassenheit aller Pferde und der Umsicht meiner Kutscherkollegen konnte der Defekt am eingespannten Pferd unter Zuhilfenahme von starken Pressbändern und Panzerklebeband sofort behoben werden und die Fahrt wieder fortgesetzt werden. Es gab zu dieser Sofortmaßnahme auch keine Alternative, da alle 4 Gespanne sich bereits in der Steigung auf dem Schotterweg im Wald befanden. Diese Situation zeigt, dass es sehr wichtig ist, für solche Fälle gut gerüstet zu sein. Also gut ausgebildete und gelassene Pferde vor dem Wagen und damit korrespondierende Eigenschaften der Fahrer und Beifahrer. Durch nahezu nichts zu ersetzen ist das Allround-Material Pressband von Quaderballen, mit dem man sich bei gerissenen oder abgebrochenen Geschirrteilen in der Regel helfen kann.
Unsere Route führte uns immer nach Norden ausgerichtet von Haid über Glashüttenkreuz zum Rubner Teich, einer Pferderast. Weiter ging es durch den weitläufigen Rubner Wald westlich des Schöpfelberges zur Tabormühle, einer Sägemühle, bevor die letzten Steigungen am Hacklberg uns auf die Straße nach Liebenau brachten.
Unser Ziel des heutigen Tages, den Ferienhof Esterhammer (www.espi-stables.at), auf der Schanz in Liebenau erreichten wir am Nachmittag. Helma und Franz Esterhammer widmen sich hier seit mehr als 20 Jahren, auf ihrem Urlaub am Bauernhof – Betrieb, der artgerechter Pferdezucht und Haltung, sowie der Ausbildung von Westernpferden, auf dem Dach der Mühlviertler Alm auf 1000 Meter Seehöhe. Auch der Esterhammer-Hof verwöhnte unsere Pferde mit jeweils eigener Box, so dass sie in Ruhe fressen und die Nachtruhe genießen konnten. Für uns Zweibeiner wurde dann, wie man in Bayern sagt, auf d’Nacht eigens aufgekocht, so dass wir es uns der eingeheizten Stube schmecken ließen.
Ja und unsere Truppe bekam noch Zuwachs im Laufe des Abends. Zu später Stunde kamen Uschi und Tochter Jule mit ihrem Pony im Hänger an. Eigens für die Begleitung unserer Karawane am Wochenende machten Sie sich am Freitag nach Schulschluss von Konstein im Altmühltal auf den Weg. Nach mehreren Stunden auf Achse waren die beiden Mädels wohl behalten aber geschafft angekommen.
Am Samstagvormittag hieß es wieder Abschied nehmen von einer wiederum sehr gastfreundlichen und angenehmen Familie Esterhammer. Die heutige Route führte uns über Liebenau, Bum, Liebenstein wieder in den Süden der Mühlviertler Alm. Einen Halt bei der Schnapsrast Thauerböck, natürlich mit Verkostung, durfte auf der heutigen Tour dann auch nicht fehlen. Vom Thauerböck dann erst hinab zum Tiefenbach, dann Weitersfelden im Tal der Weißen Aist auf der Höhe umgehend um wiederum die zweiten ca. 100 Höhenmeter hinab zu fahren bis Nadelbach. Der folgende Aufstieg mit 120 Höhenmeter über Hinterbachler nach Kaltenberg, z. T. steil auf Asphalt forderte die Pferde noch mal richtig vor der verdienten Mittagspause auf dem Kirchplatz in Kaltenberg. Der Wirt hier in Kaltenberg, auch eine Pferderast, bietet auf 842 m Höhe neben den notwendigen Dingen zur Rast einen überragenden Blick nach Süden über das Tal der Kleinen Naarn in die immer aufs Neue begeisternde Hügellandschaft der Mühlviertler Alm. Der letzte Teil unserer Tagesetappe führte uns noch über zwei Anhöhen, vorbei an den Spannagelhöfen, durch die Schattau, vorbei an der Kapelle Geretzeder hinunter nach Straß wo wir auf bereits bekanntes Terrain stießen. Die letzten 2 Kilometer bis zum Reitpark Gstöttner liefen dann wieder wie von selbst.
Es schließt sich nun der Kreis wieder am Beginn unserer Reise mit Pferd und Wagen am Gstöttner Hof. Im Internet-Auftritt der Mühlviertler Alm habe ich unter Reitpark Gstöttner eine wirklich zutreffende Beschreibung gefunden. „Die Gstöttner Familie ist groß - es wird fleißig zusammengeholfen. Als Gast kann man während eines Urlaubes Teil dieser großen Familie werden. Ankommen und Abschalten heißt es für den Gast, denn Hektik ist beim Gstöttner fehl am Platz.“ Wir sind nun zum zweiten Mal hier angekommen, um wiederum hier zwei Nächte verbringen zu dürfen in der einzigartigen herzlichen Atmosphäre der Familie Kriechbaumer. Unsere Rundreise mit unseren Gespannen durch eine Traumlandschaft ohne Stress und Hektik werden wir hier am drauf folgenden Tag dann abschließen.
Wiederum versorgt mit durch nichts zu ersetzenden Wissen des absoluten Insiders Ludwig, unserem Hausherrn, machten wir uns am Sonntag früh auf unsere Abschlussrunde über Straß, von dort hinab ins Tal der Kleinen Naarn. Nach der Fichtmühle galt es den anspruchsvollen Anstieg entlang der Talusmauer hinauf nach Mötlas zu bewältigen. Auf nahezu gleichbleibender Höhe ging es über die Elbrixmühle zum Lummi auf die Moser Alm zur Mittagsjause. Über den schon in der Gegenrichtung befahrenen Waldweg erreichten wir den Gruber-Hof, von wo aus wir lange Abfahrt durch den malerischen Wald am Leitnerbach entlang bis ins Naarntal befuhren. Aus diesem relativ tiefen Taleinschnitt galt es nun wieder Höhe zu gewinnen um über Kaining nach Schönau zu gelangen. Der Schlussaufstieg über Hofing zum Gstöttner war dann die letzte Fleißaufgabe die die Pferde willig meisterten. Zum Finale wurde dann beim Gstöttner noch die Schwemme mit den Gespannen durchfahren, was den Pferden auch sichtlich zusagte. Nach 6 Tagen im Geschirr unterwegs, im steten Wechsel von bergauf und bergab, geigten sie noch richtig auf Zug mit den Kutschen durchs achstiefe Wasser.
Nähere Daten und Bilder zu den einzelnen Tagesetappen finden Sie auf der Homepage www.kutschfahrten-fuerholzen.de bzw. auf der Vereinshomepage www.marienheimer-kutscher-ev.de.
So wie die Woche angefangen hat wurde sie auch begeistert beschlossen. Der Abend rundete mit einem hervorragenden Essen und der anschließenden geselligen Runde gemeinsam mit unseren Wirtsleuten Ludwig und Burgi eine tolle Woche unsere “Mühlviertler Roas“ gebührend ab.
Ja, nun waren wir 6 Tage unterwegs mit unseren Gespannen in einer sehr anspruchsvollen und genauso eindrucksvollen wie beeindruckenden Landschaft der Mühlviertler Alm. Wir konnten ohne Probleme auf fahrbaren Wald-, Feld- oder Güterwegen unsere jeweiligen Tagesziele anfahren, wo wir ausnahmslos eine in der heutigen Zeit schon außergewöhnliche Gastfreundschaft erleben durften. Es sei an dieser Stelle ein ausdrückliches und großes “Danke“ von uns “Marienheimer Kutschern“ an alle gerichtet, die uns mit unseren Pferden in dieser tollen Woche beherbergten, versorgten sowie mit guten Ratschlägen und Tipps zur Route zum Gelingen dieser eindrucksvollen Reise mit Pferd und Wagen beigetragen haben. Es sei an dieser Stelle erlaubt diese Woche Wanderfahrt mit dem folgenden Gedanken wirken zu lassen.
Mühlviertler Roas – es war wirklich mehr als eine Reise!

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